Saarbrücken, 06.03.2024 (PresseBox) – In einer aktuellen Umfrage der IHK geben zwei Drittel der teilnehmenden Unternehmen an, dass sie unter steigenden Geschäftsrisiken leiden. In der Industrie ist die Betroffenheit besonders groß. Die Unternehmen kritisieren insbesondere die allgemeinen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen wie Bürokratielast und Regulierungsdichte. Erhebliche Risiken bestehen zudem im knappen Arbeitskräfteangebot, hohen Energiepreisen und Energiewendekosten, Arbeitskosten sowie der Steuer- und Abgabenlast. Die steigenden Geschäftsrisiken haben Folgen für die Investitionstätigkeit: Nur elf Prozent der Unternehmen wollen ihre Investitionen innerhalb der kommenden zwölf Monate steigern, 38 Prozent gehen dagegen von sinkenden Investitionen aus. Auch die Einstellungsbereitschaft leidet. IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Thomé fordert einen raschen Kurswechsel auf den entscheidenden wirtschaftspolitischen Handlungsfeldern und eine Reformagenda zur Verbesserung der Standortbedingungen für die Unternehmen.
Rund zwei Drittel der Unternehmen im Saarland klagen über steigende Geschäftsrisiken. In der Industrie und im Baugewerbe ist die Betroffenheit besonders hoch. Hier berichten sogar 74 bzw. 70 Prozent der Unternehmen über einen starken Anstieg der Geschäftsrisiken. „Diese Risiken sind vielfach das Ergebnis einer inkonsistenten und inkongruenten Wirtschaftspolitik, mit der die Bundesregierung viel Vertrauen bei Unternehmen und Konsumenten verspielt hat. Das ist ein deutliches Alarmsignal, das die Politik aufrütteln muss, denn Unsicherheit ist Gift für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung. Der Standort Deutschland braucht daher dringend einen kraftvollen und mutigen Neustart mit einer Reformagenda, die die Standortbedingungen nachhaltig verbessert sowie die Unternehmen auf der Kostenseite entlastet, damit Investieren und Arbeiten wieder attraktiv wird – im Saarland und in Deutschland insgesamt.“ So kommentierte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Thomé die Ergebnisse einer aktuellen IHK-Umfrage zu den Geschäftsrisiken der Saarwirtschaft, an der sich 381 Unternehmen mit rund 90.000 Beschäftigten beteiligt haben, und die er heute (6. März) gemeinsam mit IHK-Geschäftsführer Dr. Carsten Meier in der IHK vorstellte.
Die IHK hatte das trübe Stimmungsbild in der Saarwirtschaft zum Anlass genommen, um von den Unternehmen mehr über die konkreten Geschäftsrisiken, ihre Investitions- und Beschäftigungsabsichten für die nächsten zwölf Monate und die Einschätzung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zu erfahren. „Die überaus große Beteiligung an unserer Umfrage zeigt, wie beträchtlich die Herausforderungen für die Unternehmen im Saarland sind. Sie müssen nicht nur die Transformation und die konjunkturelle Schwäche meistern, sondern haben vermehrt mit strukturellen Problemen des Standortes Deutschland zu kämpfen. All dies treibt die Kosten und mindert die unternehmerischen Handlungsspielräume, insbesondere im Mittelstand. Die Unternehmen erwarten insofern zu Recht, dass ihre Sorgen und Nöte von der Politik auf allen Ebenen ernst genommen werden und es rasch zu einem Kurswechsel auf den entscheidenden wirtschaftspolitischen Handlungsfeldern kommt. Andernfalls wird es nicht gelingen, das Wachstum signifikant zu steigern und den Wohlstand in unserem Land zu sichern“, sagt Thomé.
Nach der IHK-Umfrage kritisieren insgesamt 63 Prozent der Unternehmen vor allem die allgemeinen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Dazu zählen die steigende Bürokratielast, die hohe Regulierungsdichte, die oftmals unzumutbar langen Planungs- und Genehmigungsverfahren und ein Brandschutz, bei dem jegliche Verhältnismäßigkeit verloren gegangen ist.
Investitionsbereitschaft sinkt, Wettbewerbsfähigkeit erodiert
Doch nicht nur die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen geben Anlass zur Sorge. Die Unternehmen sehen auch das knappe Arbeitskräfteangebot (60 Prozent), die hohen Energiepreise und Energiewendekosten (46 Prozent), die hohen Arbeitskosten (40 Prozent) und steigende Transportkosten (33 Prozent) als starke Hemmnisse für einen nachhaltigen Wachstumskurs. Hinzu kommt die überbordende Steuer- und Abgabenlast (38 Prozent), die für saarländische Betriebe eine ganz besondere Rolle spielt. Deutschland ist hier ohnehin schon in einer unrühmlichen Spitzenposition. Der Vergleich der Bundesländer zeigt dann zudem eine erhebliche Spreizung – zum Nachteil der Saarunternehmen. "Eine typische mittelständische Kapitalgesellschaft zahlt im Saarland durchschnittlich fast 47.500 Euro pro Jahr mehr an Gewerbe- und Grundsteuern als das Pendant in Rheinland-Pfalz oder sogar rund 48.200 Euro mehr als ein Wettbewerber in Baden-Württemberg. Das stößt bei vielen Betrieben auf Unverständnis", so Thomé.
Die steigenden Geschäftsrisiken haben Folgen für die Investitionstätigkeit. „Unter diesen Bedingungen werden die Unternehmen nicht in dem Maße investieren, wie es notwendig wäre, um im globalen Wettbewerb Schritt halten zu können. Dadurch steigt die Gefahr, dass der Innovations- und Technologiestandort Deutschland auf Dauer an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Dies können wir uns gerade mit Blick auf unsere wichtigsten Wettbewerber USA und China nicht länger leisten“, sagt Meier unter Verweis auf die Ergebnisse der Umfrage, mit der die IHK auch mehr über die Investitionsbereitschaft der Unternehmen erfahren wollte. Demnach geben nur elf Prozent der Unternehmen an, dass ihre Investitionen innerhalb der kommenden zwölf Monate steigen werden, 38 Prozent gehen dagegen von sinkenden Investitionen aus. Die verbleibenden 51 Prozent werden ihr Investitionsvolumen auf dem aktuellen Niveau halten.
Innovation Investitionsmotiv Nr. 1 in der Industrie
Bei den Investitionsmotiven liegt – über alle Unternehmen betrachtet – die Innovation mit 43 Prozent vor dem Ersatzbedarf (39 Prozent), gefolgt vom Erweiterungsbedarf (28 Prozent) und der Rationalisierung (27 Prozent). „Ursächlich hierfür ist, dass der Innovations- und Kostendruck in der Industrie angesichts der Megatrends Dekarbonisierung und Digitalisierung besonders hoch ist. Unternehmen, die hierbei den Anschluss nicht verpassen wollen, müssen investieren – in neue Produkte, Fertigungsverfahren und teils auch in neue Geschäftsmodelle. Insofern verwundert es nicht, dass für mehr als die Hälfte der Betriebe der Saarindustrie die Innovation das Investitionsmotiv Nummer eins ist“, so Meier.
Energiewendekosten mindern Investitionsfähigkeit
Verringert wird die Innovations- und Investitionsfähigkeit der Saarindustrie aber vor allem von den hohen Energiewendekosten. Hierzu zählen die Energiekosten als solche, die durch den zunehmenden Anteil der Erneuerbaren am Strommix stetig steigen, die kontinuierlichen CO2-Preissteigerungen sowie die Netzausbaukosten, die sich in steigenden Netzentgelten niederschlagen. Zwei Drittel der Unternehmen geben an, dass ihre diesbezüglichen Ausgaben – gemessen am Umsatz – gestiegen sind, mit der Folge, dass sie weniger Mittel für Klimaschutzmaßnahmen, Forschung und Entwicklung sowie für die Optimierung der betrieblichen Kernprozesse aufwenden konnten. Über alle Branchen hinweg klagen 59 Prozent darüber; in der Industrie sind es sogar 72 Prozent. „Dass die politisch induzierten hohen Energiewendekosten nun ausgerechnet dazu führen, dass Unternehmen Klimaschutzmaßnahmen zurückstellen müssen, ist paradox und exemplarisch dafür wie inkonsistent die deutsche Klimapolitik ist. Aufgabe der Politik muss es daher sein, ein verlässliches international und preislich wettbewerbsfähiges Angebot an Energie sicherzustellen. Gleichzeitig muss massiv in den Netzausbau und die Netzstabilität investiert werden, damit insgesamt die Versorgungsicherheit gewährleistet werden kann“, sagt Thomé.
Personalabbau insbesondere in der Industrie zu befürchten
Die Ergebnisse der IHK-Umfrage belegen zudem, dass steigende Geschäftsrisiken nicht nur die Innovations- und Investitionstätigkeit verringern, sondern sich auch negativ auf die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen auswirken. Mehr noch: Nur 14 Prozent der Unternehmen geben an, ihren Personalbestand innerhalb der nächsten zwölf Monate auszubauen, wohingegen 23 Prozent Personal abbauen wollen. Während dieser Negativ-Saldo damit über alle Branchen hinweg bei neun Prozentpunkten liegt, beträgt er in der Industrie sogar auf 23 Prozentpunkte. Dies ist ein deutliches Indiz dafür, dass die Beschäftigungsverluste in der Industrie am stärksten ausfallen dürften.
Vier von zehn Unternehmen schätzen Wettbewerbsfähigkeit als schwach ein
Angesichts der unzureichenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, technologischer, disruptiver Trends und der allgemeinen Marktsituation schätzen nur 37 Prozent der Unternehmen ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit als gut oder sehr gut ein, 32 Prozent bewerten diese mit befriedigend und 31 Prozent mit ausreichend bis schlecht. Während die Einschätzung im Dienstleistungssektor etwas positiver ausfällt, wird die eigene Wettbewerbsfähigkeit in der Industrie deutlich schwächer bewertet. Hier votieren 40 Prozent der Unternehmen mit ausreichend bzw. schlecht. „Die relativ schwachen Werte für die Industrie überraschen nicht. Zwei der drei Kernbranchen der Saarindustrie – die Stahlindustrie und der Automotive-Sektor – befinden sich mitten im einem anspruchsvollen Transformationsprozess und sind einem hohen Anpassungsdruck ausgesetzt. Umso wichtiger ist es nun, die Wettbewerbsfähigkeit dieses industriellen Kerns zu sichern – indem die Unternehmen auf der Kostenseite entlastet werden. Dazu zählen insbesondere international wettbewerbsfähige Steuern und Abgaben, deutliche Entlastungen bei den Energiewendekosten sowie bei den ausufernden Bürokratiekosten, die durch ein immer intensiveres Mikromanagement der Politik ausgelöst werden“, so Meier.
Unterschätzte Gefahren
Zugleich zeigen die Umfrageergebnisse, dass viele Unternehmen trotz bundesweiter Schäden in Milliardenhöhe noch immer die Gefahr von Cyberkriminalität, KI-gestützter Desinformation und Wirtschaftsspionage unterschätzen. Nur bis zu 15 Prozent der Unternehmen sehen hierin ein Geschäftsrisiko. „Wir werden daher unser Informations- und Beratungsangebot weiter ausbauen und für mehr Awareness bei den Unternehmen sorgen“, sagt Thomé.