Brechen, 15.02.2024 (PresseBox) – Beitrag von Holger Hinz, Leiter Corporate Finance bei der Quirin Privatbank AG:
Das Börsenjahr 2023 war sehr herausfordernd, erst zum Jahresende sorgte die Börsenentwicklung für neuen Optimismus. Unser Kapitalmarktausblick für die Börse 2024 betrachtet die Ausgangslage zwar nicht gerade als ideal, aber die Vorzeichen für 2024 stimmen zuversichtlich. Was auf Anleger zukommt.
Das Jahr 2022 war kein gutes Börsenjahr. Zwar verlor die Corona-Pandemie allmählich ihren Schrecken, aber mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine kam ein neuer großer Unsicherheitsfaktor hinzu, der Inflation und Lieferkettenprobleme befeuerte. Dementsprechend war auch 2023 an der Börse über lange Strecken von Nervosität und Trübsinn geprägt. Vor allem die Zinserhöhungen der großen Notenbanken, der Federal Reserve Bank der USA und der Europäischen Zentralbank, verdarben Aktionären die Laune, beflügelten aber zumindest den Rentenmarkt und ließen die Anleiherenditen auf ihren höchsten Stand seit 2007 steigen.
Erst als in den letzten Wochen des Jahres die Erkenntnis reifte, dass sich die US-Wirtschaft robuster als erwartet zeigt, und die Notenbanken nach zehn Zinserhöhungen in Folge diese nicht nur aussetzen, sondern in absehbarer Zeit eine neuerliche Zinswende vollziehen könnten, bekam die Börse einen kräftigen Schub. Die Hoffnung auf baldige Leitzinssenkungen griff um sich und bescherte Anlegern eine kräftige Aktienmarktrally zum Ausklang des Börsenjahres. Auch Anleihen und Gold stiegen nochmal deutlich im Kurs.
Börse 2024: Marktteilnehmer glauben fest an Zinssenkungen
2024 geht es zunächst optimistisch weiter. Und weiterhin basiert diese Zuversicht auf Zinssenkungsfantasien. Dass sich diese bald bewahrheiten, ist an der Börse breiter Konsens. Nicht nur die Rezession und die gesunkene Inflation sprechen dafür, auch US-Notenbankchef Jerome Powell hat die grundsätzliche Bereitschaft dazu erkennen lassen. Allerdings hat er zuletzt auch wieder deutlich gemacht, dass auch Zinserhöhungen bei Bedarf ohne Zögern erfolgen würden.
Das optimistische Zinssenkungsszenario an den Märkten ist somit unsicher und womöglich übertrieben. Vorhandene und neue Risiken und Dämpfer könnten die Märkte belasten. Noch ist unklar, wie sich die weltweite Konjunkturschwäche weiterentwickelt und ob die Inflation zügig oder doch eher stockend das Zwei-Prozent-Ziel erreicht. Immerhin sprechen die nach wie vor robusten Arbeitsmärkte in den USA und Europa eher dafür, dass es statt eines Abrutschens in die Rezession eher zu einer weichen Konjunkturlandung kommt. Erst wenn sich die Aussichten eintrüben, müssten die Notenbanken mit Zinssenkungen gegensteuern, sofern die Inflation dies zulässt.
Dennoch gehen die Volkswirte und Analysten der Quirin Privatbank davon aus, dass die US-Notenbank in diesem Jahr zumindest drei kleine Zinssenkungen um je 0,25 Prozentpunkte vollzieht und die EZB mit zwei Zinsschritten nach unten nachzieht. Das würde die Kapitalmärkte stützen und den Boden für ein positives Börsenjahr bereiten. Weitere Belastungsfaktoren, wie die Konflikte um die Ukraine, Gaza und Taiwan sowie die US-Präsidentenwahl in den USA könnten für Rückschläge sorgen, dürften aber letztlich nicht trendbestimmend für die Börse 2024 sein.
Aktienmarkt setzt Aufwärtstrend fort
Das Umfeld für erfolgreiche Aktiengeschäfte dürfte 2024 herausfordernd bleiben: Zum einen wird zwar eine schwache Konjunktur, aber keine scharfe Rezession erwartet, was den Aktienkursen mehr Stabilität verleihen dürfte. Zum anderen werden die erwarteten Leitzinssenkungen Aktien beflügeln, da im Gegenzug Anleihen unattraktiver werden. Dennoch dürften die geo- und handelspolitischen Spannungen, die sich auch nochmal verstärken könnten, für Schwankungen an der Börse sorgen. Problematisch wird es, sollte Donald Trump zum Jahreswechsel das Präsidentenamt in den USA übernehmen und den protektionistischen Kurs seiner ersten Amtszeit fortsetzen. Unter dem Strich erwarten die Ökonomen der Quirin Privatbank zum Jahresende ein Plus im einstelligen Prozentbereich am Aktienmarkt.
Rentenmarkt bleibt solide und freundlich
Unter der Annahme weiter rückläufiger Inflationsraten, moderater Leitzinssenkungen durch die Notenbanken und einer schwächelnden Konjunktur im Jahresverlauf sind die Rahmenbedingungen für das Anleihejahr erfreulich. Dabei hat der Rentenmarkt viele dieser positiven Einflüsse bereits zum Jahresende 2023 vorweggenommen. In der Folge stiegen die Kurse und die Anleiherenditen sanken. Daher dürften 2025 am Bondmarkt die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Unter dem Strich erwarten wir stabile, allenfalls moderat fallende Anleiherenditen, die aber selbst nach Abzug der Inflation noch eine reale Rendite bei geringem Risiko bieten. Langlaufende Euro-Staatsanleihen haben die erwarteten Zinssenkungen der Notenbanken bereits vorweggenommen, kurzlaufende Staatsanleihen reagieren jedoch erst bei Vollzug auf die Zinsschritte. Sie weisen daher aktuell noch eine höhere Rendite auf (inverse Zinsstrukturkurve). Die Anleihekurse haben daher noch Aufwärtspotenzial. Das gilt auch für solide Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating (AAA bis BBB-), die selbst eine schwächere Konjunktur gut überstehen können.
2024: Börsengänge und Neuemissionen dürften zunehmen
Ausgehend von einem insgesamt freundlichen, positiv tendierendem Börsenumfeld, dürften auch die Börsengänge und Kapitalmarkttransaktionen nach dem schwachen 2023 wieder zunehmen. Die US-Investmentbank Goldman Sachs etwa ist optimistisch, dass sich der Markt für Aktienneuemissionen deutlich vom Tief in 2023 erholt. Gründe dafür sieht Goldman Sachs im Überschreiten des Zinsgipfels und den erwarteten Zinssenkungsschritten der US-Notenbank Fed. Die Geschichte zeige, dass ein von Leitzinssenkungen geprägtes Marktumfeld die Dynamik bei den Börsenaspiranten erhöht. Wenn die Menschen Zinssenkungen erwarten, mehren sich normalerweise die Börsengänge, heißt es bei Goldman Sachs. Einige Börsenkandidaten sind auch schon bekannt. Beispielsweise wollen die Parfümeriekette Douglas, Stablecoin-Anbieter Circle oder Tesla-Konkurrent Ampere den Sprung an die Börse wagen. Dass die Börse 2024 neue Aktien willkommen heißt, beweist schon der erste deutsche Börsengang des Jahres: Der deutsche Rüstungshersteller Renk hat seinen im vorigen Jahr verschobenen Börsengang am 7. Februar spontan nachgeholt. Das Debüt war erfolgreich: Die Erstnotiz der Aktie lag deutlich über dem Ausgabepreis und konnte im Verlauf des ersten Handelstages weiter zulegen.
IBOs am Rentenmarkt mindestens auf Vorjahresniveau
Auf dem Anleihemarkt ist das Bild nicht so eindeutig. In einer Befragung unter sechs Emissionshäusern erwarteten diese im Durchschnitt 22 Emissionen im laufenden Jahr. Allerdings sind die begleitenden Banken immer sehr zurückhaltend mit derartigen Prognosen. Im vorigen Jahr waren es 24 Emissionen, die mit einem um 34 Prozent angestiegenen platzierten Volumen gegenüber dem Vorjahr verbunden waren. Weitere Details dazu lesen Sie in unserem Gastbeitrag von Frederic Hilke von IR.on. Unter dem Strich hält er den Anleihemarkt weiterhin für aufnahmefähig und rechnet zumindest mit einer Emissionstätigkeit auf Vorjahresniveau. Nach wie vor sei der Kapitalbedarf der Unternehmen durch die grüne Transformation hin zu erneuerbaren Energien hoch, zudem stünden etliche Refinanzierungen an, begründet er seinen Optimismus.
Vor dem Hintergrund, dass Aktien und Anleihen im Wesentlichen gute Voraussetzungen haben, um sich 2024 positiv zu entwickeln, dürfte die Emissionstätigkeit nach zwei schwachen Jahren wieder etwas zunehmen. Anleger können sich also auf ein gutes Börsenjahr einstellen.
Holger Hinz, Quirin Privatbank AG
Hinweis: Diese KOLUMNE erschien zunächst auf dem Kapitalmarkt-Blog der Quirin Privatbank.
Mehr Informationen zu alternativen Finanzierungsmöglichkeiten finden Sie auf dem Kapitalmarkt-Blog der Quirin Privatbank unter Finanzierung Archive – Kapitalmarkt Blog